home

Wochenrückblick KW 38 2023

Wochenrücklick KW 38 2023

Ich tue beruflich gerade fast nur noch das, was mir am meisten Spaß macht, Betriebsräte motivieren und für ihre Arbeit begeistern.

Dabei ist mein Seminar „Verhandlungsführung für Betriebsräte“ ein richtiger Renner geworden.

Deswegen war der Wochenstart für mich fantastisch.

In der Einigungsstelle am Mittwoch war die Stimmung konstruktiv, sodass ich bester Laune am Donnerstag zurück ins Büro gekommen bin.

Nächste Woche beginne ich mit einer Einigungsstelle in Schweinfurt und schule ab Dienstag Betriebsräte in Hannover.

Was gibt es inhaltlich?

Wer mich kennt, weiß, dass ich seit Jahren ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen Diskriminierung und Mobbing bin.

Was ich daher nicht mag, ist ein Missbrauch dieser Schutzvorschriften.

Im Januar musste das Landesarbeitsgericht Berlin einen Fall entscheiden, der in diesem Sinne nachdenklich stimmt.

Was war passiert?

Der Beklagte betreibt ein Unternehmen in Berlin. Über eBay-Kleinanzeigen wurde eine Stellenanzeige veröffentlicht, mit der der Beklagte eine Sekretärin suchte.

Der Kläger bewarb sich auf die Stelle per E-Mail und fragte ausdrücklich „Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann und suche derzeit eine neue Herausforderung“.

Sein Anschreiben endete mit der Grußformel: „Mit freundlichen Grüßen Herr E.“

Bewerbungsunterlagen waren der E-Mail nicht beigefügt.

Ebenfalls via E-Mail vom 2. September 2021 erhielt der Kläger die folgende Rückmeldung:

„Es wird lediglich eine Frau als Sekretärin gesucht. Der Geschäftsführer möchte es so. Sorry.“……

Die Firma möchte ausschließlich eine weibliche Sekretärin.“

Mit seiner Klage hat der Kläger einen Anspruch auf drei Bruttomonatsgehälter geltend gemacht.

Die Vorinstanz wies die Klage unter anderem deswegen ab, weil der Kläger binnen 15 Monaten elf inhaltsgleiche Verfahren wegen Entschädigung anhängig gemacht habe.

Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg, denn das LAG Berlin war der Ansicht, dass das Entschädigungsverlangen gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sei.

Die tragenden Gründe des Urteils lauten – sinngemäß -:

Der Kläger habe sich nicht beworben, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern ihm sei es mit der Bewerbung darum gegangen, den formalen Status eines Bewerbers im Sinn von § 6 Absatz 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

Bei Würdigung aller Umstände im Zusammenhang mit der Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle stehe fest, dass der Kläger es mit dem Text seiner Bewerbung geradezu auf eine Absage des Beklagten angelegt habe.

Der Kläger habe von Beginn an das Augenmerk des Lesers darauf gelenkt, dass es sich bei dem Bewerber um einen Mann handele. So habe er in der Grußformel das Wort „Herr“ verwendet, wodurch er an dieser Stelle hervorgehoben habe, dass der Bewerber männlichen Geschlechts sei und auch als solcher angesprochen werden möchte.

Dies belege, dass der Kläger beabsichtigte, dem Beklagten bereits nach dem ersten Lesen des Bewerbungstextes einen Grund für eine Absage zu geben, nämlich den, dass der Kläger ein Mann sei und der Beklagte eine Frau für die Stelle suche.

(LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 20.01.2023 (Az. 3 Sa 898/22)

Rechtlich möchte ich dazu folgendes anmerken:

Seit den ersten Geburtsstunden des AGG diskutieren wir als Experten über den/die AGG Hopper/in.

Das sind Menschen, die sich gezielt auf Stellen bewerben, die indiziell diskriminierend ausgeschrieben sind, nur um abgelehnt zu werden mit dem Ziel, sodann auf Entschädigung klagen zu können.

Wenn sich jemand so verhält, ist das ohne Frage treuwidrig.

Der Unterschied zum nicht rechtsmissbräuchlich handelnden Bewerber/in ist, dass es einem/einer redlichen Bewerber/in darum geht, eingestellt zu werden.

Solange die Einstellung im Unternehmen das Motiv des/der Bewerbers/in ist, kann er sich von mir aus 20 mal auch auf indiziell diskriminierend ausgeschriebene Stellen bewerben und im Ablehnungsfall klagen, weil seine Absichten der Rechtsordnung – aus meiner Sicht – nicht widersprechen.

Je mehr Sorgfalt ich bei der Bewerbung walten lasse, je stärker das Stellenprofil auf mich passt, um so eher wird man redliche Absichten vermuten dürfen.

Was an diesem Fall allerdings auch nicht gefallen kann, ist die augenscheinlich „vorsätzliche“ Suche des Arbeitgebers nach einer Frau.

Das ist für mich das klare Zeichen, dass selbst eine vermeintlich stellenneutrale Ausschreibung nichts über die Grundhaltung des Arbeitgebers aussagt.

Deswegen fände ich es in mitbestimmten Unternehmen wichtig, dass Betriebsräte an Bewerbungsgesprächen verpflichtend teilnehmen dürfen, was einige Unternehmen heute schon freiwillig praktizieren, um die Bewerberinnen und Bewerber beispielsweise vor diskriminierenden Fragen zu schützen bzw. im Streitfall die Chance zu haben, solche Fragen zeugenschaftlich dann wenigstens belegen zu können.

Euch eine schöne Woche!